Unfehlbar... Als ich viel jünger war als jetzt, hielt ich mich
selbst für unfehlbar; aber ich danke
Gott, dass ich mich jetzt besser kenne. Das stellte John Wesley für sich fest,
der unermüdliche methodistische Pionier, 1703-91. Psychologische und moralische
Methoden der Selbstbeobachtung und der Selbsteinschätzung waren „in“ - mit
allen verknüpften Schwächen. Ein späterer Idealist sagte: „Jetzt habe ich schon
mehrere Tage tadellos gelebt.“ Sein Kollege meinte: „Sagt das deine Frau auch
von dir?“ Eine gute Frage! Ein Zeitgenosse schrieb: „Ich musste immer der Beste
sein.“ Nun, Worte zeigen etwas vom Wesen: „... der Beste“ - „... tadellos“ -
„... unfehlbar“, das zählt zu den höchsten Levels. Wer sich jedoch „besser“
kennen lernt, schätzt sich auch anders ein und verhält sich anders. Weit zurück
reicht die Einsicht der Dramatiker
Sophokles und Euripides, gut 400 Jahre vor Christus; sie lässt sich in das
Sprichwort zusammenfassen: „Errare humanum est“ - Irren ist menschlich. Cicero
fügte hinzu: „... nur der Tor wird im Irrtum verharren“. Sich „besser“ kennen
lernen ist ein lebenslanger Prozess. Wer es wagt, sein Leben ohne Scheuklappen anzusehen,
entdeckt bisher verdeckte Seiten. Nicht immer angenehm, aber hilfreich - auch
für die andern - und heilsam.
Samstag, 15. Februar 2020
Montag, 10. Februar 2020
Grösse zeigt sich in der Versöhnlichkeit und nicht am Stand des
Kontos; auch nicht nach einer Millionen-Abgangsentschädigung.
„Je grösser ein Mensch ist, um so versöhnlicher ist er“, sagte der römische
Dichter Ovid, der zur Zeit von Jesus lebte, 43 v. Chr. - 18 n. Chr. Unversöhnlichkeit
ist ein Mangel an Charakter. Wer unversöhnlich ist, ist nicht frei, ist
verstrickt mit Vergangenem - auch wenn so getan wird, „als ob“ alles in Ordnung
sei. Verzeihen ist der erste Schritt, sich versöhnen ist der zweite; er führt
zur Heilung des Schadens. Oft geht das Eingeständnis eigenen Versagens voraus.
„Der Tor sieht das Glück nicht, das vor seinen Füssen liegt“, schrieb der
griechische Schriftsteller Plutarch, um 45 - 125 n. Chr. Klar-Sehende erkennen
das Glück und ergreifen es. Die Versöhnten freuen sich miteinander am neu
empfangenen Leben, an der vertieften Freundschaft und an der damit verbundenen
Echtheit mitmenschlicher Gemeinschaft. Wahre Grösse zeigt sich als Folge der
Versöhnung von selbst.
- Zitate aus „Anmut und Würde“, Bernhard Funk
Verlag, München
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