Samstag, 15. Februar 2020


Unfehlbar... Als ich viel jünger war als jetzt, hielt ich mich selbst für unfehlbar; aber ich danke Gott, dass ich mich jetzt besser kenne. Das stellte John Wesley für sich fest, der unermüdliche methodistische Pionier, 1703-91. Psychologische und moralische Methoden der Selbstbeobachtung und der Selbsteinschätzung waren „in“ - mit allen verknüpften Schwächen. Ein späterer Idealist sagte: „Jetzt habe ich schon mehrere Tage tadellos gelebt.“ Sein Kollege meinte: „Sagt das deine Frau auch von dir?“ Eine gute Frage! Ein Zeitgenosse schrieb: „Ich musste immer der Beste sein.“ Nun, Worte zeigen etwas vom Wesen: „... der Beste“ - „... tadellos“ - „... unfehlbar“, das zählt zu den höchsten Levels. Wer sich jedoch „besser“ kennen lernt, schätzt sich auch anders ein und verhält sich anders. Weit zurück reicht die Einsicht  der Dramatiker Sophokles und Euripides, gut 400 Jahre vor Christus; sie lässt sich in das Sprichwort zusammenfassen: „Errare humanum est“ - Irren ist menschlich. Cicero fügte hinzu: „... nur der Tor wird im Irrtum verharren“. Sich „besser“ kennen lernen ist ein lebenslanger Prozess. Wer es wagt, sein Leben ohne Scheuklappen anzusehen, entdeckt bisher verdeckte Seiten. Nicht immer angenehm, aber hilfreich - auch für die andern - und heilsam.

Montag, 10. Februar 2020


Grösse zeigt sich in der Versöhnlichkeit und nicht am Stand des Kontos; auch nicht nach einer  Millionen-Abgangsentschädigung. „Je grösser ein Mensch ist, um so versöhnlicher ist er“, sagte der römische Dichter Ovid, der zur Zeit von Jesus lebte, 43 v. Chr. - 18 n. Chr. Unversöhnlichkeit ist ein Mangel an Charakter. Wer unversöhnlich ist, ist nicht frei, ist verstrickt mit Vergangenem - auch wenn so getan wird, „als ob“ alles in Ordnung sei. Verzeihen ist der erste Schritt, sich versöhnen ist der zweite; er führt zur Heilung des Schadens. Oft geht das Eingeständnis eigenen Versagens voraus. „Der Tor sieht das Glück nicht, das vor seinen Füssen liegt“, schrieb der griechische Schriftsteller Plutarch, um 45 - 125 n. Chr. Klar-Sehende erkennen das Glück und ergreifen es. Die Versöhnten freuen sich miteinander am neu empfangenen Leben, an der vertieften Freundschaft und an der damit verbundenen Echtheit mitmenschlicher Gemeinschaft. Wahre Grösse zeigt sich als Folge der  Versöhnung von selbst.     
Zitate aus „Anmut und Würde“, Bernhard Funk Verlag, München